Börsenöffnungszeiten

In seinem Buch "Professioneller Börsenhandel" gibt Erdal Cene Einblicke in seine Ausbildung zum Berufshändler, es ist somit eine Dokumentation seiner eigenen Anfangszeit. Den profitablen und professionellen Trader unterscheidet demnach im Wesentlichen eines vom erfolglosen Hobby-Trader: Er hat umfachreiche Kenntnisse über Markttechnik.

Die Markttechnik befasst sich mit der Frage, wodurch sich Börsenkurse bewegen. Fundamentale Nachrichten, technische Signale, das Zinsumfeld oder Bewegungen in korrelierenden Märkten führen immer nur auf der übergeordneten Ebene zur Bewegung, denn im Grunde sind es immer nur die Kauf- und Verkaufsaufträge im Orderbuch, die den Kurs steigen oder fallen lassen. Das mag auf den ersten Blick banal erscheinen, erfodert aber ein gewisses Umdenken beim Handel. Die Markttechnik löst sich von diesen übergeordneten Einflussfaktoren und fokussiert sich auf die Frage, wer wann in die Märkte eingreifen könnte. Dazu gilt es erstmal, die verschiedenen Akteure zu unterscheiden (Institutionelle Anleger mit enormem Vermögen, langfristig orientierte Kleinanleder, kurzfristig orientierte Trader etc.) Alle Gruppen haben unterschiedliche Ziele und unterschiedliche Vorgehensweisen im Handel und alle reagieren auf die eine oder andere Weise auf die Aktionen der anderen. Aus diesem Grund hinterlassen sie auch unterschiedliche Spuren, beispielsweise im Orderbuch oder im Chart. Ein Markttechniker macht sich auf die Suche nach diesen Spuren, um sich Einblick zu verschaffen, in welcher Phase sich der Markt augenblicklich befindet und wie es weitergehen könnte.

Erdal Cene beschreibt die großen Bewegungen in Trends als Elefantenherde, die nicht so leicht aufzuhalten ist und mit der man besser mitreitet, als sich ihr in den Weg zu stellen. Seine Ausbildung bestand somit aus dem Erlernen von trendfolgendem Trading. Dazu ist es entscheidend zu antizipieren, wohin sich die große Herde bewegt. Damit sind keinesfalls hellseherische Fähigkeiten gemeint, die oft mit Kursprognosen in Verbindung gebracht werden, sondern vielmehr akribische Fährtensuche.

Erdal Cenes Buch ist somit auf dem gleichen Feld unterwegs, wie das vermutlich bekannteste deutschsprachige Börsenbuch, nämlich das große Buch der Markttechnik von Michael Voigt. Tatsächlich sind beide Bücher auch inhaltlich durchaus vergleichbar. Dass sich die Fachterminologie ein wenig unterscheidet (Voigt bezeichnet die Trendphasen als Bewegung und Korrektur, Cene als Progression und Regression) ist dabei von untergeordneter Bedeutung. Voigts Trennung von Fachteil und Romanteil ist in der Form bei Cene nicht vorhanden. Er stellt den Praxisbezug über die Schilderungen seiner eigenen Ausbildung und den Unterricht seines damaligen Ausbilders ("...der Chef") dar, so dass fachliches und persönliches verschmelzen.

Ich weiß, dass beide Bücher ihre Anhänger haben und die meisten Leser eines von beiden dem anderen leicht oder sogar entschieden vorziehen. Ich kenne einige Trader, die das Buch von Voigt für das beste deutsche finanzliterarische Werk halten, das man für Geld kaufen kann. Es gibt aber auch viele, die der Meinung sind, dass das Buch von Voigt zwar etwas flüssiger zu lesen war, Cene ihnen aber in der rückblickenden Betrachtung nützlicher gewesen sei. Ich selbst empfehle ausdrücklich beide Bücher, hätte aber eine leichte subjektive Tendenz zu Voigt.

Meiner Ansicht nach ist das Buch von Erdal Cene hervorragend geschrieben, es arbeitet sich sehr strukturiert Schritt für Schritt durch die vielen Aspekte der Markttechnik. Diese durchdachte Struktur verdanken die Leser wohl dem Ausbilder, da das Buch tatsächlich den Eindruck vermittelt, die zeitliche Abfolge der Ausbildung abzubilden.
Ebenfalls hervorragend ist die Qualität des Buches hinsichtlich Druck und der mehrfarbigen Abbildungen, die das Beschriebene sehr schön veranschaulichen. Lobend zu erwähnen ist zudem das umfangreiche Videomaterial, das der Autor auf seiner Webseite www.erdal-cene.de kostenfrei anbietet. Zu den meisten Kapiteln findet man dort zusätzliche, äußérst ausführliche Webinare.

Insgesamt bekommt man für sein Geld wirklich viel geboten, man merkt schnell, dass sehr viel Arbeit im Buch steckt. Ob man nun lieber das Buch von Michael Voigt oder dieses liest, muss, wie bereits beschrieben, jeder selbst entscheiden. Beide gehören mittlerweile zu den Standardwerken der Börsenliteratur. Für absolute Neulinge ist es meiner Meinung nach noch nicht empfehlenswert, da viele Grundlagen vorausgesetzt werden. Markttechnik ist ein Fachgebiet, das schon mehr in die Tiefe geht und das etwas Erfahrung verlangt. Somit ist es kein Grundlagenbuch über die Börse, sondern dient der Erweiterung seiner Grundlagenkenntnisse. Eben "professioneller Börsenhandel".